Pussy Riots Kirchenprotest – ein Akt politischen Widerstandes

War der Anti-Putin-Auftritt der Punkband Pussy Riot in einer Moskauer Kathedrale „Vandalismus aus religiösem Hass” oder ein politischer Protest? Olga Shvarova erläutert den Fall.

The case

Am 21. Februar 2012 führte die Punkband Pussy Riot ein Lied vor dem Altar der russisch-orthodoxen Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau auf. Das Lied basiert auf einem an die Jungfrau Maria gerichteten Gebet und bittet mit Hilfe überirdischer Mächte um den Sturz des russischen Präsidenten Vladimir Putin. Im März 2012 wurden drei Mitglieder der Band in Haft genommen. Ihnen wurde „Randalieren mit dem Motiv religiösen Hasses” vorgeworfen. Nachdem sie ohne Gerichtsverhandlung eingesperrt wurden, stehen ihnen nun bis zu sieben Jahre Haft bevor. Im Juli 2012 wurden die Bandmitglieder formell angeklagt und ihre Untersuchungshaft auf sechs Monate ausgedehnt. Amnesty International stufte die drei Frauen als politische Gefangene ein.

Die öffentliche Meinung in Russland zum Thema Pussy Riot ist gespalten. Patriarch Kirill, Vorsitzender der russisch-orthodoxen Kirche, warf der Band Gotteslästerung vor. Umfragen bestätigen, dass 42% der Bevölkerung Moskaus ihm zustimmen. Viele andere Menschen jedoch hielten die Aktion für vergleichsweise harmlos und fanden die Reaktion der Behörden übertrieben und ungerecht. Ein offener Brief, der zur sofortigen Freilassung der drei Pussy Riot-Mitglieder aufrief, wurde von weiten Teilen der russischen Elite unterzeichnet, unter ihnen – neben Oppositionellen – auch Unterstützer Putins.

Update: Am 17. August 2012 wurden die Bandmitglieder Maria Alyokhina, 24, Nadezhda Tolokonnikova, 22, and Yekaterina Samutsevich, 29, wegen Randalierens mit dem Motiv religiösen Hasses zu zwei Jahren Haft in einem Straflager verurteilt.

Author opinion

Genau wie Igor Sutyagin, der wegen einer Tat, die er nicht begangen hatte, für 15 Jahre in ein Straflager geschickt wurde, haben diese Frauen die Straftat, derer sie beschuldigt werden, nicht begangen. Der Text ihres Liedes drückte in keiner Weise religiösen Hass oder Hass gegenüber religiösen Gruppen aus. Die Aufführung war ein politischer Protest mit künstlerischen Mitteln und sollte in einer demokratischen Gesellschaft nicht als Straftat gelten. Manche Bürger Moskaus empfanden den Auftritt von Pussy Riot als extrem anstößig. Sie empfanden den Auftritt als asozial. Solches Verhalten kann Geldstrafen oder Haftstrafen von bis zu 15 Tagen nach sich ziehen. Den Bandmitglieder wurde jedoch zum Verhängnis, dass auch der Regierung die Aufführung ein Dorn im Auge war. Ich nehme an, dass die Mitglieder Pussy Riots höchstens eine Geldstrafe erhalten hätten und nach 24 Stunden Haft entlassen worden wären, wenn ihre Lieder den Anführer der Opposition kritisiert hätten.

Der Fall Pussy Riot beinhaltet noch einen weiteren wichtigen Aspekt. Die russisch-orthodoxe Kirche schien die Verletzung der Meinungsfreiheit durch die Regierung, sowie die harte Strafe für die Band, zu begrüßen. Dabei war der Auftritt der Band gegen die Regierung und nicht gegen die Kirche gerichtet. Im Text eines anderen Liedes, das sich mit religiösen Themen befasst, findet sich an einer Stelle eine gotteslästerliche Passage. Ein Schimpfwort wird verwendet, das zwar vulgär ist, jedoch im Alltag oft verwendet wird. Der Versuch der Kirche, hier wegen vermeintlicher Gotteslästerung ein Exempel zu statuieren, ist dem Anschein nach eher ein Versuch, die Regierung zu unterstützen und nicht die Reaktion auf eine tatsächliche Schändung des russisch-orthodoxen Glaubens.

- Olga Shvarova

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Free Speech Debate is a research project of the Dahrendorf Programme for the Study of Freedom at St Antony's College in the University of Oxford. www.freespeechdebate.ox.ac.uk

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