Hilft China etwa den freien Medien in Afrika?

China hilft zwar autokratischen Regierungen in Afrika bei der Zensur, doch westliche Firmen dominieren noch immer diesen Markt, schreibt Iginio Gagliardone von der Universität von Oxford.

Aus der wachsenden Gruppe von Ländern, die das Internet zensieren, sticht China heraus, denn es versucht explizit, eine Doktrin zu formulieren, die diese Praxis rechtfertigt. In einem Positionspapier aus dem Juni 2010 zum Beispiel bezeichnen die chinesischen Behörden “Staatssicherheit und soziale Harmonie” als zwei Grundpfeiler der Entwicklung des Internets, und obwohl das Dokument die Bedeutung der Meinungsfreiheit anerkennt, betont es auch, dass “die Bürger kein Recht haben, diese Freiheit so auszuüben, dass sie die Interessen des Staates, der Gesellschaft oder der Gemeinschaft verletzet”. Der Standpunkt, dass “das Internet in den verschiedenen Ländern unterschiedlichen Souveränitäten unterliegt” steht in scharfem Kontrast zum Ziel der USA: “einem einzigen Internet, mit dem die ganze Menschheit freien Zugang zu Fakten und Ideen hat”, wie es nur einige Monate zuvor von US-Außenministerin Hillary Clinton formuliert worden war. Während klar ist, dass China für sich selbst eine eigenständige Internet- und Medienpolitik entwickelt hat, ist weniger klar, ob dieser Ansatz sich auch in anderen Ländern durchsetzen kann. Die wenigen Analysen, die bisher in diesem Bereich durchgeführt wurden, basieren auf der Annahme, dass westliche Medien mit ihrem Ansatz Demokratisierungsprozesse in Afrika zu unterstützen suchen, während China seine Form der autoritären Regierungsführung verbreiten will. Doch es gibt kaum Indizien dafür, dass dies tatsächlich der Wahrheit entspricht.

Vor kurzem argumentierte ein Kommentar in der New York Times zurecht, dass die freien Medien sich im autoritär regierten Äthiopien schwer tun, wo die chinesische EXIM-Bank einen 1,5 Milliarden schweren Kredit für die Modernisierung der Telekommunikations-Infrastruktur zur Verfügung stellte. Blogs der Opposition werden gesperrt und der Premierminister sagt, das Lande habe ein Recht, den internationalen Sender Voice of America zu blockieren, weil dieser “destabilisierende Propaganda” verbreite. China wirdbeschuldigt, die technischen Mittel und die Expertise bereitzustellen, die diese Arten der Zensur möglichen machen. Einige Jahre zuvor jedoch war es die Expertise von Cisco Systems und Hughes Networks, zwei amerikanischen Firmen, die es der Regierung Äthiopiens erlaubte, mit Woredanet eines von Afrikas größten und problematischsten eRegierungsprojekten zu entwickeln. Woredanet, eine Abkürzung für “Netzwerk von Bezirksverwaltungen”, nutzt das gleiche Systemprotokoll wie das Internet, sowie auch Satellitenverbindungen, damit Minister, Beamte und Ausbilder in der Hauptstadt per Videokonferenz Regional- und Bezirkshauptstädte kontaktieren und lokalen Beamten Anweisungen und Instruktionen geben können. Wie wichtig dieses Projekt ist, sieht man daran, dass die Server für das System im Büro des Premierministers stehen. Einerseits hat Woredanet die Präsenz des Staatsapparats in den Regionen verbessert. Andererseits ist die Technologie problematisch, denn in Äthiopien, einem Staat in dem die Grenzen zwischen Staat und Partei immer mehr verschwimmen, wurde es wiederholt dafür genutzt, in kritischen Zeiten wie etwa Wahlen Unterstützung für die Partei zu mobilisieren.

Doch sieht man sich Westafrika an, wo China zum Beispiel in Ghanas Medien- und Kommunikationsunternehmen investiert, so ergibt sich ein ganz anderes Bild. Ghanas Medien gehören zu den “freisten” auf dem ganzen Kontinent, und China hat vor kurzem 180 Millionen US-Dollar zur Verfügunggestellt, um Ghanas Regierung dabei zu helfen, mit neuen Technologien die Effizienz des Staatsapparates zu verbessern. Außerdem bietet China immer wieder Stipendien für ghanaische Journalisten an, die in China studieren wollen. Insgesamt erhält Ghana, wo in den letzten Jahren große Erdölreserven gefunden wurden, mittlerweile eines der großzügigsten Hilfspakete, die China je in Afrika vergeben hat. Wir haben jedoch im Zuge unserer Nachforschungen herausgefunden, dass diese Hilfe kaum einen Effekt auf Ghanas Medien hat, da sich Ghanas Politiker und Journalisten nicht für Chinas Medienpolitik interessieren. Ein Journalist, der für den Daily Graphic, Ghanas größte Tageszeitung, arbeitet, sagte vor kurzem: “Die Menschen in Ghana interessieren sich nicht dafür, welches politische Modell China vorschlägt. Es sind die Menschen im Westen, die sich für den Aufstieg Chinas interessieren.”

Chinas Einfluss auf die Medien in Afrika ist ein neues Phänomen und verfolgt nicht immer eine klare Richtung. In den nächsten Jahren kann sich viel verändern, doch die beiden Beispiele deuten auf einige wichtige Trends hin.

Zuerst gilt es zu bedenken, dass wir oft Chinas Rolle kritisieren, wenn es um die Verbreitung von Technologien geht, die es Regierungen erlauben, ihre Bürger zu kontrollieren und Inhalte zu zensieren, während in Wirklichkeit westliche Firmen diesen Markt dominieren. Software aus Nordamerika ist noch immer die erste Wahl für viele autoritäre Regierungen, die das Internet zensieren wollen. Ein in Dublin – nicht Beijing – entwickeltes Programm wurde zuletzt von der syrischen Regierung dazu benutzt, die Opposition daran zu hindern, Demonstrationen per SMS zu koordinieren. Die Nachfrage autoritärer Regierungen nach Zensur- und Kontrollwerkzeugen ist seit Jahren ungebrochen und chinesische Firmen sind eher Nachzügler auf einem Market, auf dem es noch nie an Anbietern mangelte. Es mag einfacher erscheinen, China an dieser Stelle zu kritisieren, da die chinesische Regierung viel mehr Kontrolle über ihre Firmen hat. Doch aus der Perspektive des Bürgers eines afrikanischen Landes macht es wohl kaum einen Unterschied, ob die eigene Stimme von der Doppelzüngigkeit des westlichen Kapitalismus unterdrückt wird oder von Chinas offener Bereitschaft, alles zu verkaufen, was afrikanische Länder haben wollen.

Zweitens gibt es kaum Indizien dafür, dass China in nicht-autokratischen Ländern, in denen es in Medien- und Kommunikationsunternehmen investiert, versucht sein Modell zu exportieren, oder sich gegen die Meinungsfreiheit in die Waagschale wirft. In Ländern, die neue Kommunikationsmittel wirklich dafür nutzen wollen, ihre Entwicklung so voranzutreiben, dass alle daran teilhaben können, erwirkt Chinas Verzicht auf bestimmte Bedingungen für Investitionen eine größere Freiheit für die Empfängerländer, sowie mehr Spielraum für Experimente und neue Wege, verschiedene Ideen und Technologien zu kombinieren.

China spielt definitiv eine wichtige Rolle in Afrikas Medienlandschaft, doch bisher wird die Debatte darüber von zu vielen Vorurteilen und unbegründeten Annahmen bezüglich Chinas Absichten geprägt, die davon ablenken, wie China afrikanischen Ländern hilft oder nicht hilft, ihre Ziele zu erreichen. Wenn die Debatte weniger ideologisch verzerrt wäre, könnte man eher das Positive erkennen, statt sich immer nur auf Bedrohungen zu konzentrieren. Wir sind nicht mehr im Kalten Krieg, und die afrikanischen Länder müssen sich nicht für eine Seite entscheiden. Stattdessen haben sie die Wahl zwischen vielen verschiedenen Partnerschaften.

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Kommentare (5)

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  1. This is just one more way of China slowly claiming its world dominance!

  2. My mother is a journalist and 2 years ago she had the position of newspaper editor. I remember she told me 5 months ago about China’s censor of internet when you have to log in only with your true first and last name otherwsie you can’t give any comment in any web-site concerning some state affairs or something like that. My mother had a big problem when people spread rumour in internet about her and newspaper policy, so actually she would be happy to have such censor in Russia. If you tell the truth you have nothing to afraid of and hide from the person you want to complain. If you tell lies – please, tell that directly from your name but not from some invented login.

  3. I really enjoyed reading this piece. I think something we sometimes forget is that when the US speaks of its

    „pledge ‚for a single internet where all of humanity has equal access to knowledge and ideas'“

    it really means a single internet with equal access to knowledge and ideas as defined by them. It is not true that the US or any other country does not have their own agendas in setting or trying to set international and norms.

  4. I think this is very interesting because in China the internet is extremely censored and threaded out. You can’t look up certain words, events, or use some „western“ sites, such as Facebook. I don’t know how true this is because I haven’t been to Africa, but if so that is very hypocritical.

  5. As a Chinese,when I saw this title,I could’t help laughing long time.

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Das Projekt „Debatte zur Meinungsfreiheit“ ist ein Forschungsprojekt des Dahrendorf Programme for the Study of Freedom am St Antony's College an der Universität von Oxford.

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