Eine bessere Medienethik für die Türkei

Eine von Journalisten gegründete Organisation versucht, die türkische Medienlandschaft positiv zu verändern, schreibt Yonca Poyraz Doğan, eine Korrespondentin für die Zeitung Today’s Zaman.

Die Media Ethics Platform ist eine Gruppe von Journalisten, die sich vor allem angesichts der Polarisierung der türkischen Medien und der türkischen Gesellschaft  Sorgen um die Zukunft des Journalismus in der Türkei machen.

So heißt es zum Beispiel in unserem Manifest:

Man sagte uns, wir sollten über die “blutigen” Einzelheiten von Morden schreiben, und auf extravagante Art und Weise über die “pornographischen” Details von Vergewaltigungen berichten. Man sagte uns, Auflagenzahlen und Bewertungen seien das Wichtigste, und Medienethik zweitrangig. Das ist nicht richtig. Man sagte uns, wenn es um das Land gehe, sei die Moral ein unnötiges Detail, und wenn es um die Interessen des Landes und des Chefs gehe, so könne man Nachrichten auch manipulieren. Auch das ist nicht richtig. Media Ethics Platform erwuchs aus dem Wunsche, die moralischen Regeln des Journalismus gegen Lügen zu verteidigen.

Wie man aus unserem Manifest ersieht, sind die universellen Prinzipien des Journalismus unser gemeinsamer Nenner.

Wir trafen uns das erste Mal im August 2010 im Rahmen eines von der Media Association und dem Internationalen Zentrum für Journalisten organisierten Kurses, und machten uns zusammen Gedanken über die Medienethik. Daraus erwuchs der Moralkodex für Journalisten in der Türkei. Im darauffolgenden Jahr eröffneten wir eine Internetseite.

Wer sind wir? Wir sind nicht die “Superstars” der türkischen Medien. Wir werden weder von Medienmogulen noch von Firmen unterstützt, und wir haben auch keine Verbindungen mit Journalistenverbänden. Obwohl wir alle für die türkischen Medien – von Rundfunk bis Zeitungen – arbeiten, führen wir unsere Arbeitgeber nicht auf der Internetseite auf. Wir ziehen es vor, in unserer individuellen Rolle als Journalisten, die sich um die Medienethik sorgen, wahrgenommen zu werden. Wir sind eine Graswurzelbewegung professioneller Journalisten.

Noch bevor die Media Ethics Platform gegründet wurde, trafen sich circa zehn Absolventen des Kurses Medienethik und digitaler Journalismus und gründeten eine Gruppe auf Yahoo. Wir luden alle Absolventen des Kurses ein, der Gruppe beizutreten, und die meisten von ihnen nahmen das Angebot an. Dies war im März 2011. Seitdem ist unsere Gruppe kontinuierlich gewachsen und umfasst mittlerweile 70 Mitglieder. Und so gründeten wir die Media Ethics Platform.

Wir gründeten die Plattform weil es bis dato keine derartige Organisation in der Türkei gab, die sich nur mit dem Bereich der Medienethik befasste. Wir waren der Überzeugung, dass die Medienethik und die Unabhängigkeit der Journalisten in der polarisierten und politisierten Medienlandschaft der Türkei zu kurz kamen. Wir bekommen immer wieder mit, wie politische Hintergedanken Einfluss darauf haben, wie Nachrichten präsentiert werden. Die demokratisch formulierten Forderungen und Probleme der Bürger werden regelmäßig ignoriert.

Einzelne Medienunternehmen neigen dazu, gemäß ihrer politischen Ausrichtung nur über einen bestimmten Aspekt eines komplexen Sachverhaltes zu berichten. Manchmal sind das Problem Redakteure oder Herausgeber, die ihre eigene Meinung, Ideologie oder politische Überzeugung, oder die ihres Chefs, vorantreiben wollen. Darüber hinaus gibt es viele Fälle, in denen Hass und Gewalt über die Medien verbreitet wird.

Außerdem gibt es keine Regulierung, die es den Eigentümern von Medienkonzernen untersagen, sich an öffentlichen Ausschreibungsverfahren außerhalb der Medienbranche zu beteiligen. Es gibt hier keinerlei Beschränkungen für Konglomerate, und Gesetzgebung zur Reform der Gewerkschaften oder der Hassrede wird aufgehalten. Deshalb ist schlechter und unethischer Journalismus in der Türkei weit verbreitet.

Unser Verband berät derzeit noch darüber, wie diese Probleme am besten angegangen werden können. Im Moment betreiben wir mehrere Projekte. Unter anderem versuchen wir, einen Ethikkodex für den Journalismus aufzustellen. Der Verband der türkischen Journalisten besitzt zwar einen Ethikkodex, dieser unterscheidet sich jedoch von unserem. Unser Ratgeber enthält ein Kapitel über Ethikrichtlinien für Onlinejournalisten, die es so noch nie zuvor gab. Außerdem ist unser Kodex in leicht verständlicher Sprache geschrieben (hier klicken für die englische und türkische Version). Wir folgen diesen Prinzipien und laden andere dazu ein, es uns gleichzutun.

Die Media Ethics Platform bemüht sich darüber hinaus, einen Ratgeber für Journalisten zu entwickeln, der ihnen helfen kann, auf eine Art und Weise zu schreiben, die weder diskriminierend ist noch zu Gewalt aufstachelt. Ein weiteres unserer Projekte versucht, die Nachrichtenberichterstattung der großen Medienhäuser kritisch zu evaluieren. Zum Beispiel kritisierten wir eine türkische Tageszeitung dafür, dass sie ein explizites Foto einer Frau reproduzierte, die von ihrem Ehemann erstochen worden war. Die Zeitung hatte ein großes Foto gedruckt, dass die liegende Frau nackt und mit einem Messer in ihrem blutigen Rücken zeigte. Ihr Kopf war dem Leser zugewandt und ihre Augen weit aufgerissen. Wir kritisierten die Verwendung von “Todespornographie”, wie wir es nennen, und riefen all unseren Lesern das Grundprinzip in Erinnerung, dass alle Menschen, die in den Nachrichten vorkommen, mit Würde und Respekt behandelt werden sollten.

Mittlerweile haben wir eine treue Anhängerschaft unter Journalisten und Aktivisten der Zivilgesellschaft, die regelmäßig unsere Internetseite besuchen. Wir hoffen, dass die Besucherzahl unserer Seite weiter wächst, und werden versuchen, unser kollektives Potential in konkrete Verbesserungen umzuwandeln. Uns ist jedoch auch klar, dass es sehr lange dauern kann, bis solche Veränderungen eintreten, da unsere schlechten Standards im türkischen Journalismus schon lange bestehen.

Uns ist auch klar, dass Medyakronik, eine türkische Internetseite zur Überwachung der Medien, die die selben Ziele hatte wie wir, 2002 nur zwei Jahre nach ihrer Gründung geschlossen wurde. Die Organisation wurde von Journalisten und Akademikern etabliert und betrieben, und von der kommunikationswissenschaftlichen Fakultät der Bilgi-Universität unterstützt. Die Betreiber nahmen die Seite nach einer von ihren Gegnern orchestrierten Schmierkampagne vom Netz.

Obwohl wir zum Teil auf der Arbeit von Medyakronik aufbauen, hoffen wir, dass unser Schicksal nicht den gleichen Lauf nehmen wird. Wir hoffen auch, dass wir etwas gegen den weithin akzeptierten Glauben unternehmen können, dass “die türkischen Medien sich niemals ändern werden.”

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Kommentare (1)

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  1. I live in Italy and I can say that that the media here have no ethics whatsoever. They are sold to parties, to the State, to the Church, to the rich. Exceptions? I hope so, but they remain exceptions. Italy is the 68th country in the world for freedom of speech. At least the turkish authorities must tell the reporters what to write, here in Italy it’s not necessary: the reporters write what they should write for their padroni (boss) without being told!

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