Ein kontroverses Geschichtsbuch in Japan

Ein Schulbuch fuer den Geschichtsunterricht in Japan, das den japanischen Imperialismus verharmloste, löste im In- und Ausland Konflikte aus, schreiben Ayako Komine und Naoko Hosokawa.

Der Fall

Ein Schulbuch mit dem Titel Das neue Geschichtsbuch (jap.: Atarashii Rekishi Kyokasho) wurde im Jahr 2000 von einem Komitee bestehend aus konservativen Historikern herausgegeben. 2001 wurde es vom japanischen Bildungsministerium als Schulbuch für den Sozialkunde-Unterricht genehmigt. Dies löste sowohl in Japan als auch im Ausland, vor allem in Nachbarländern wie China und Korea, Irritationen und hitzige Debatten aus, unter denen auch Japans diplomatische Beziehungen litten. Die Genehmigung wurde kritisiert, weil das Schulbuch Japans Aggressionen im Sino-Japanischen Krieg und dem Zweiten Weltkrieg relative milde beurteilte. Letztendlich jedoch wurde das Buch nur von wenigen Schulen in Japan tatsächlich verwendet.

Meinung des Autors

Als wir in den 1990er-Jahren in Japan zur Schule gingen, behandelten die Geschichtsbücher in der Mittelstufe die sogenannten comfort women (Zwangsprostituierte), und der japanische Imperialismus wurde als Akt der Aggression dargestellt. Die Inhalte dieses neuen Schulbuches sind weit von unserer Vorstellung von Japans Geschichte entfernt, doch liegt es nicht an uns zu entscheiden, ob die Darstellung korrekt ist. Dazu sind andere besser qualifiziert.

Stattdessen erscheint es uns wichtig, darüber nachzudenken, dass es beim Schreiben, Umschreiben oder – wie hier – nicht-Schreiben – der Geschichte Immer auch um Politik geht. Es ist kein Zufall, dass der Veröffentlichung des Buches eine Zeit der Instabilität vorausging, in der die Liberal-demokratische Partei, die seit Jahrzehnten fast ununterbrochen geherrscht hatte, die Kontrolle über einige ihrer erzkonservativen Mitglieder verlor. Gleichzeitig gilt es bei alldem jedoch auch zu bedenken, dass nur eine sehr kleine Minderheit der Schulräte die Bücher tatsächlich in den Unterricht aufnahm, und dies nicht zuletzt weil sich genug besorgte Bürger gegen das Buch aussprachen. In diesem Sinne gab es in Japan eine Vielzahl von Stimmen, die sich auch alle an der Debatte beteiligen durften. So sollte es in einem Land sein, dessen Institutionen die Meinungsfreiheit garantieren.

Als Reaktion auf die Kontroverse, die das Buch auslöste, gründeten Japan, China und Südkorea ein gemeinsames Forschungskomittee, das die Inhalte von Geschichtsbüchern untersuchen sollte. Dieses Komitee, so erwartete man, sollte zu einem Ort werden, an dem die Länder Meinungen über die Geschichte und das Buch austauschen könnten. Damit entspannte sich die Kontroverse, und das Komitee existiert noch heute und hat mehrere historische Referenzbücher veröffentlicht, die sich auf Debatten unter Experten aus allen drei Ländern gründen. Jedoch gibt es natürliche Hindernisse, wenn man versucht, sich so auf eine gemeinsame Linie zum Geschichtsunterricht zu einigen, die sowohl ausländische Stimmen als auch nationale Debatten berücksichtigt.

Und so geht es in dieser Kontroverse eigentlich um eine viel grundsätzlichere Frage zur freiheitlichen Demokratie und dem Nationalstaat. Sollte ein Staat auch jeden Stimmen Rechenschaft leisten müssen, die von jenseits seiner Grenzen kommen?

- Ayako Komine und Naoko Hosokawa

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Das Projekt „Debatte zur Meinungsfreiheit“ ist ein Forschungsprojekt des Dahrendorf Programme for the Study of Freedom am St Antony's College an der Universität von Oxford.

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