Die Journalistin und der „betrunkene Präsident“

Die mexikanische Journalistin Carmen Aristegui wurde vor laufender Kamera gefeuert, weil sie den Präsidenten des Landes beschuldigt hatte, er sei ein Alkoholiker. Felipe Correa berichtet.

Der Fall

Im Februar 2011 wurde Carmen Aristegui, eine angesehene mexikanische Journalistin, von MVS Multivisiónentlassen, weil sie angeblich den Verhaltenskodex des Senders gebrochen hatte. Das Unternehmen gab an, Aristegui habe ein Gerücht über den amtierenden mexikanischen Präsidenten, Felipe Calderón, in Umlauf gebracht und dies als seriöse Nachrichten ausgegeben. In ihrer Radioshow hatte Aristegui von einem Plakat mit der Aufschrift, „Würden Sie einen Betrunkenen ihr Auto fahren lassen? Natürlich nicht! Und warum lassen Sie dann das Land von einem [Betrunkenen] regieren?“, berichtet, das im mexikanischen Kongress von der Oppositionspartei entrollt worden war. Mitglieder der Regierungspartei verließen daraufhin aus Protest den Plenarsaal.

Nachdem sie über den Vorfall berichtet hatte, gab Aristegui zu, dass es keinerlei Beweise für eine angebliche Alkoholsucht des Präsidenten gäbe. Jedoch betonte sie auch, dass es ein wichtiges Thema sei und einer offiziellen Klarstellungen bedürfe. „Dieser Vorfall verdient eine ernsthafte, formelle und offizielle Antwort von Seiten des Präsidialamtes,“ sagte sie und fügte hinzu, dass in allen Demokratien auf der Welt das Wohlergehen des Staatschefs im öffentliche Interesse liege.

Zwei Tage später übertrug MVS eine öffentliche Stellungnahme, in der Aristegui vor laufenden Kameras entlassen wurde. Dies entfachte lebhafte Diskussionen sowohl in den sozialen als auch in den traditionellen Medien. Zwei Wochen später nahm MVS die Entlassung zurück und erklärte, Aristeguis Sendung fortsetzen zu wollen. Die endgültige Entscheidung über den Fall wurde einem Schiedsgericht überlassen. Aristegui arbeitet heute noch immer für MVS.

Meinung des Autors

Dieser Fall erinnert mich an einen ähnlichen Vorfall aus dem Jahr 2004, als der New York Times Journalist Larry Rohter eine Reportage über Lula da Silva, den damaligen Präsidenten Brasiliens,  veröffentlichte. Rohter behauptete, Lula habe Alkoholprobleme, woraufhin Lula versuchte, Rohter des Landes zu verweisen.

Solche Anschuldigungen, in denen Politiker des Alkoholismus bezichtigt werden, sind nicht unüblich. Meist basieren sie jedoch auf keinerlei Beweisen und stellen somit eher eine Verleumdung dar. Im Fall der mexikanischen Journalistin jedoch, wurde lediglich über Vorkommnisse im Kongress berichtet und eine Klarstellung von Seiten des Präsidenten gefordert. Solche Vorkommnisse zu kommentieren, ist etwas anderes, als etwas im Rahmen einer investigativen Reportage zu behaupten. Rohter berichtete nicht über ein Ereignis, sondern stellte seine eigenen Nachforschungen an. Als er seine Reportage schrieb, insinuierte er (ohne Beweise zu liefern, denn er schilderte nur Gerüchte), der brasilianische Präsident leide unter Alkoholismus. Im Falle Aristeguis handelte es sich jedoch eindeutig nicht um Diffamierung  und daher hätte sie nicht entlassen werden sollen.

 

- Felipe Correa

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Kommentare (2)

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  1. I think Jack is right is highlighting the difference between alcoholism and drunkenness. But this is rather a matter of why Aristegui was dismissed. In today’s world leaders are expected to accept criticisms and deal with accusations even if they aren’t true. It sounds to me that Aristegui was punished for doing her job, which shouldn’t be the case. This antecedent could only encourage the silencing of reporters regarding sensitive issues. And this is not a good sign for democracy or free speech..

  2. Surely the crux of the matter is addressed by the answer to the question: Is he doing an acceptable job? Alcoholism is not necessarily a bar to that. Drunkenness is, and they are not the same. Many alcoholics are never drunk. William Pitt the Younger was an alcoholic. So was Churchill.

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