Der Fall des russischen ‘Spions’

Igor Sutyagin, ein für Spionage zu 15 Jahren Haft verurteilter russischer Nuklearforscher, war 2010 Teil eines Agentenaustauschs, schreibt Olga Shvarova.

Der Fall

Igor Sutyagin, Kernforscher am Institut für USA- und Kanadastudien in Moskau, wurde im Oktober 1999 verhaftet. Er hatte Informationen zu militär- und verteidigungspolitischen Fragen in Russland zusammengestellt, während er als Berater für die britische Beratungsfirma Alternative Futures gearbeitet hatte. Im Jahr 2004 wurde er “des Hochverrats durch Spionage” für schuldig befunden und zu 15 Jahren Gefangenenlager verurteilt. Der russische Geheimdienst FSB hatte den Fall ins Rollen gebracht. Sutyagin sagte immer wieder aus, er habe keinen Zugriff auf geheime Informationen gehabt, und seine Berichte stützten sich ausschließlich auf öffentlich zugängliche Informationen.

Amnesty International prangerte den Fall Sutyagin im Zuge einer Kampagne für mehr Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit in Russland an. Wegen der Art und Weise, auf die der Gerichtsprozess geführt wurde, und wegen des hohen Strafmasses hielten mehrere nationale und internationale NGOs der russischen Regierung vor, das Urteil sei politisch motiviert gewesen. Im Jahr 2010 wurde Sutyagin mit anderen verurteilten Spionen im Austausch für zehn Personen, die von den USA als russische Spione behandelt wurden (unter ihnen auch Anna Chapman), nach Großbritannien gebracht. Seine Mutter sagt Amnesty, Sutyagin habe den Austausch abgelehnt, jedoch sei er zur Teilnahme gezwungen worden.

Meinung des Autors

Igor Sutyagin wurde für eine Tat verurteilt, die er nicht beging. Nach Artikel 275 des russischen Strafgesetzbuchs (engl. Übersetzung hier) wurde er des Hochverrats gegen den Staat verurteilt. Dieser Artikel stellt “Spionage, die Verbreitung von Staatsgeheimnissen oder jegliche andere Unterstützung eines anderen Staates, einer ausländischen Organisation oder ihrer an feindlichen Aktivitäten beteiligten Repräsentanten durch einen Bürger der russischen Föderation, wenn dies der nationalen Sicherheit der russischen Föderation zuwiderläuft” unter Strafe. Er wurde zu 15 Jahren Haft verurteilt, wovon er elf Jahre ableistete. Das bemerkenswerte an diesem Fall ist, dass es keine zwingenden Beweise für Sutyagins Spionagetätigkeit oder die Weitergabe von Staatsgeheimnissen gibt, die das Urteil und das Strafmaß rechtfertigen würden. Es stimmt, das Sutyagin genaue Informationen über das russische Militär sammelte, und diese an eine obskure, und mittlerweile vom Radar verschwundene Firma namens Alternative Futures weiterreichte. Es ist auch wahr, dass er dafür bezahlt wurde. Doch die Informationen und Daten, die Sutyagin für seine Berichte verwendete, waren allesamt öffentlich zugänglich, sowohl in Russland als auch im Ausland. Weder Sutyagin selbst, noch seine Behörde und ihre Mitarbeiterschaft, hatte die Freigabe für oder Zugang zu geheimen Dokumenten.

Sutyagin, ein Wissenschaftler mit beachtenswerter Karriere in Russland und Abteilungsleiter in einer staatlich kontrollierten Forschungseinrichtung muss gewusst haben, welche Gefahren seine “Beratungstätigkeiten” mit sich brachten. Wer in Russland unter den wachsamen Augen des FSB mit jeglicher Art von militärischen Daten hantiert, der spielt mit dem Feuer – und steht mit einem Bein in einem Benzin-Tümpel. Es folgte eine Reaktion, die für Russland im 20. Jahrhundert typisch ist, denn selbst in den 1990er-Jahren war eine Verurteilung oftmals noch immer eher ein bürokratischer Prozess als eine rechtsstaatliche Handlung. Man kann die Position vertreten, dass Sutyagin unmoralisch handelte. Es ist jedoch unmöglich, Spionage oder Geheimnisverrat nachzuweisen und er hätte nicht für diese angeblichen Taten bestraft werden sollen.

- Olga Shvarova

Weiterlesen:


Kommentare (1)

Kommentare können bei Bedarf mittels Google Translate übersetzt werden. Klicken Sie dazu die Übersetzungsfunktion unter den Kommentaren an. Bitte beachten Sie dabei, dass die Übersetzungen maschinell erstellt werden und nicht unbedingt akkurat den Inhalt wiedergeben.

  1. If he really resorted this treachery, he deserves this punishment. Russia is very tough when it comes to espionage. We saw the examples in the past as a tough way. For example Alexander Litvenko.

Kommentieren Sie in einer Sprache Ihrer Wahl

Unsere Empfehlungen

Streichen Sie mit dem Finger nach links um alle Highlights zu sehen


Das Projekt „Debatte zur Meinungsfreiheit“ ist ein Forschungsprojekt des Dahrendorf Programme for the Study of Freedom am St Antony's College an der Universität von Oxford.

Die Universität von Oxford