Der „Brandeburg-Test” zur Gewaltanstiftung

Im Jahr 1969 legte der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten in einer historischen Rechtsprechung fest, dass Anstiftung zur Gewalt nur dann strafbar sein kann, wenn Gewalt beabsichtig, wahrscheinlich und immanent ist. Von Jeff Howard.

Der Fall

Clarence Brandenburg, der 48 jährige Besitzer eines Fernsehreparaturladens und Anführer des Ku Klux Klans in Ohio, veranstaltete im Sommer des Jahres 1964 eine Kundgebung, um seine weiße Überlegenheitsideologie zu zelebrieren und zu verbreiten. Brandenburg verkündete vor lokalen Fernsehsendern: „wenn unser Präsident, unser Kongress und unser Oberster Gerichtshof weiterhin die weiße, kaukasische Rasse unterdrücken, ist es möglich, dass wir uns rechen müssen.” Unter Ankündigung eines bevorstehenden Marsches nach Washington DC am Tag der amerikanischen Unabhängigkeit, beinhaltete Brandenburgs Rede unter anderem auch folgende Aussage: „die Neger sollten nach Afrika zurückgeschickt werden und die Juden nach Israel.” Während Brandenburg selbst zum Zeitpunkt der Kundgebung nicht bewaffnet war, waren es doch einige andere Männer des Klans.

Brandenburg wurde der Verletzung des Gesetzes des Staates Ohio schuldig gesprochen, welches die „Befürwortung der Pflicht, Notwendigkeit oder Korrektheit eines Verbrechens, einer Sabotage, von Gewalt, oder von rechtswidrigen terroristischen Maßnahmen zur Durchsetzung von industrieller oder politischer Reform” verbot, sowie „die freiwillige Versammlung mit einem Verein, einer Gruppe, oder einer Ansammlung von Personen, die Doktrinen von kriminellem Syndikalismus lehren oder befürworten.” Brandenburgs Strafe war eine Geldbuße von $1,000 und ein Freiheitsentzug von 1-10 Jahren.

In einer Grundsatzentscheidung hob der Oberste Amerikanische Gerichtshof diese Rechtsprechung mit der Begründung auf, das Urteil aus Ohio würde Brandenburgs Recht auf Meinungsfreiheit verletzten, welches durch den ersten Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten geschützt wird. Der Gerichtshof argumentierte stattdessen, dass “das Recht auf freie Meinung und freie Presse es keinem Staat gestatten, die Befürwortung von Gewaltanwendung oder Rechtsbrüchen zu verbieten, außer wenn eine solche Befürwortung auf immanenten rechtswidrigen Taten abzielt oder wenn die Befürwortung selbst zu solchen Taten anhält oder sie auslöst.” Da die Kundgebung nicht eindeutig dazu diente, bestimmte Gewalttaten auszurufen und da es nicht wahrscheinlich war, dass dies hätte passieren können, war die Rechtsprechung in Ohio zu Brandenburgs Rede verfassungswidrig.

Meinung des Autors

Der Oberste Gerichtshof kam zu einer von legaler und moralischer Seite her überzeugenden Entscheidung, in dem es bestimmte, dass Hassrede erlaubt sein musste, so lange sie nicht Gefahr lief, immanenten Schaden auszulösen. Das Urteil verstärkte das Prinzip, das schon vor langer Zeit von J.S. Mill aufgestellt wurde, der schrieb: „Die Meinung, dass Getreidehändler die Armen aushungern oder dass Privatbesitz Diebstahl gleichkommt, sollte unbestraft blebien wenn es lediglich durch die Presse verbreitet wird, aber es kann legitim bestraft werden, wenn es mündlich vor einer aufgebrachten Menschenmasse vorgetragen wird oder wenn die Botschaft auf Zetteln in der Masse verteilt wird.” (Im Original: “An opinion that corn dealers are starvers of the poor, or that private property is robbery, ought to be unmolested when simply circulated through the press, but may justly incur punishment when delivered orally to an excited mob assembled before the house of a corn dealer, or when handed about among the same mob in the form of a placard.”) So lange das Recht einer jeden Person auf körperliche Unversehrtheit nicht gefährdet wird, sollte das Gesetz einen größtmöglichen Schutz von Meinungsfreiheit garantieren.

Aber obwohl das Gesetz den Anhängern des Klans erlauben sollte, ihre Ideale zu artikulieren, heißt das nicht, dass wir höflich ihren hinterlistigen Parolen zuhören sollten, ohne eine energische Antwort darauf zu geben. Kritische Gegendarstellungen sind von grundlegender Wichtigkeit. Wir sollten niemals vergessen, dass der namengebende Protagonist des Brandenburg Urteils ein weißer Supremat war. Wie ironisch ist es in der Tat für jemanden wie ihn – der gerne die Freiheits- und Meinungsrechte (sowie vieles andere) von ethnischen Minderheiten zerstört hätte, wenn er dazu die Befugnis gehabt hätte – sich darüber zu beschweren, dass sein Recht darauf, Völkermord zu befürworten, unrechtmäßigerweise eingeschränkt wurde. Wie vor kurzem erst erläutert wurde, sollte unsere Rechtsprechung zur Meinungsfreiheit in einer soliden Ethik von Meinungsfreiheit eingebettet sein, durch die wir die Feinde unserer Zivilisation, die unter uns leben, kritisieren und verurteilen sollten.

- Jeff Howard

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Das Projekt „Debatte zur Meinungsfreiheit“ ist ein Forschungsprojekt des Dahrendorf Programme for the Study of Freedom am St Antony's College an der Universität von Oxford.

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