Jerry Springer und Gotteslästerung

Die Ausstrahlung der Jerry Springer-Oper im Fernsehprogramm der BBC im Januar 2005 löste Protest von christlichen Gruppierungen aus. Maryam Omidi wägt ab, ob die BBC die richtige Entscheidung damit traf, die Sendung auszustrahlen.

Der Fall

Als die BBC im Januar 2005 die Sendung „Jerry Springer: The Opera“ ausstrahlte, löste dies Proteste von christlichen Gruppierungen aus. Ein Gegner der Ausstrahlung sagte in einer Sendung der BBC: “Jeder sollte frei seine Meinung äußern dürfen, aber niemand sollte frei alles schänden dürfen, was anderen heilig ist.” 63.000 Menschen, eine rekordverdächtige Anzahl, beschwerten sich über Obszönität und „Gotteslästerung“ in der Sendung, viele davon bevor sie überhaupt ausgestrahlt wurde. Es wird berichtet, dass an circa 400 Stellen Schimpfwörter verwendet werden, unter anderem auch die als extreme vulgär geltenden “fuck” (“ficken”) und “cunt” (vulgärer, umgangssprachlicher Ausdruck für die weiblichen Geschlechtsteile). Unter den Darstellern ist ein windeltragender Jesus, der zugibt “a bit gay” (dt. “ein bisschen schwul”) zu sein.

Drei Tage nach der Ausstrahlung trat der Radio-Produzent Antony Pitts zurück. Er begründete den Schritt damit, dass die BBC ihre eigenen Richtlinien missachtet und die Beschwerden einfach abgetan habe. Der Generaldirektor der BBC, Mark Thompson, stand zu der Entscheidung, die die Rundfunkanstalt getroffen hatte, und sagte: “Ich bin praktizierender Christ, und ich sehe in der Sendung nichts, was ich für gotteslästerlich halte.”

Eine Organisation namens Christian Voice (dt. Christliche Stimme oder Stimme der Christen) versuchte vergeblich, die BBC für Gotteslästerung zu verklagen. Zwei Richter am höchsten Gerichtshof entschieden, dass Rundfunk, Fernsehen und Theater nicht für Gotteslästerung belangt werden können. In ihren Urteilen stellten sie weiterhin klar, dass die Sendung eine Parodie der US-Talkshow Jerry Springer und nicht des christlichen Glaubens sei. Daher könne sie auch nicht gotteslästerlich sein.

Meinung des Autors

Ich stimme der Entscheidung der BBC, Jerry Springer: The Opera auszustrahlen, voll und ganz zu. Die BBC hatte Recht in der Annahme, dass die Sendung, die auf dem gleichnamigen preisgekrönten britischen Musical basiert, für den Zuschauer von Interesse ist. Die BBC ist eine öffentliche Rundfunkanstalt und hat daher die Aufgabe, ihr Programm so zu gestalten, dass es bei einem breiten Publikum Anklang findet. Die 63.000 Menschen die sich beschwerten stellen nur einen Bruchteil der über 24 Millionen Menschen dar, die 2005 Rundfunkgebühren entrichteten.

 

Des weiteren warnte die BBC vor der Ausstrahlung deutlich davor, dass in der Sendung von obszönen Ausdrücken und religiösen Inhalten Gebrauch gemacht wird. Wer also etwas gegen solche Inhalte hatte, der konnte darauf verzichten sich die Sendung anzusehen. Dass tausende Menschen sich beschwerten, bevor die Sendung überhaupt ausgestrahlt wurde, zeigt außerdem dass, wenn es um religiöse Inhalte geht, Proteste oft unüberlegt und reflexartig sind. Die meisten der Menschen, die Salman Rushdies Satanische Verse verbrannten, gaben an, das Buch gar nicht gelesen zu haben. Diese Fallstudie führt außerdem zu einer weiteren interessanten Frage: würde statt dem Christentum der Islam parodiert, hätte die BBC dann die Sendung ausgestrahlt?

- Maryam Omidi

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Kommentare (2)

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  1. I was recently reminded that at the time of this great fuss the British Gov were trying to get legislation onto the statute books to create a new offence: Incitement to Religious Hatred. This context undoubtedly encouraged religious groups to vent their wounded feelings and try to prevent someone else from speaking (the almost simultaneous Sikh protest against the play Behzti even resorted to violence and death threats). This is a good reason why legislation should NOT be brought into the arena – it brings out the worst in us.

  2. On the one hand the author says the Jerry Springer programme gave sufficient warning before it was aired, so „anyone who felt uncomfortable with the subject matter could choose not to watch it“, whilst on the other hand the author argues how „most of the burners of Salman Rushdie’s The Satanic Verses had reportedly not even read the book“. So citizens of religious faith have to watch/read offensive material before they can criticise it and yet should at the same time not criticise because they weren’t forced to watch it in the first place and should have chosen not to.

    Living this contradiction is fine for only a few. More heed should be taken on the question of what a good religious citizen should do when confronted with public and sustained humiliation. At the moment, free speech principles seem to comply only with those who follow a liberal norm and a liberal lifestyle.

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